Schäfer Knut Kucznik mit seinen Tieren - Foto: NABU/Sebastian Hennigs
Wirksame Abschreckung
Herdenschutzhunde verteidigen Weidetiere gegen Wölfe
Hunde gelten nicht nur als der beste Freund des Menschen. Ausgebildete Hirtenhunde im Herdenschutz, kurz Herdenschutzhunde, mögen auch Weidetiere als wären sie ihre engsten Verwandten. Diese Hunde leben vom ersten Atemzug an im Stall mit Schafen, Ziegen und anderen Weidtieren. Das prägt die Hunde fürs Leben. Noch bevor die Welpen sehen können, riechen sie ihre Mutter und die Tiere, die sie später wie ihre eigene Familie beschützen werden.
Erkunden die kleinen Hunde die Umgebung rund um die Wurfbox, treffen sie Lämmer, Schafe oder wer auch immer dort im Stall lebt. Sie spielen unter Schafen und Ziegen, werden von den Tieren mal geknufft und mal gestupst. Die Welpen lernen, dass all diese Tiere zum Rudel gehören. Und das bewachen sie ihr Leben lang.
Sicher grasen im Wolfsland
Darüber hinaus sehen sie die Weide als ihr Territorium an, in dem sie keine anderen „Caniden“ wie Hunde oder Wölfe dulden. Damit sind Hunde für den Herdenschutz weitaus effizienter als andere Tiere wie etwa Esel.
Schäfer Knut Kucznik in Brandenburg hat seit 2005 Herdenschutzhunde unter seinen Schafen und Ziegen. Zu Beginn schützten Hunde von osteuropäischen Rassen und italienische Maremmano-Abruzzese seine Herden. Seit einigen Jahren vertraut Kucznik ausschließlich Französischen Pyrenäenberghunden die Tiere auf den Weiden und Mooren an. Kuczniks 480 Schafe und 50 Ziegen grasen mitten im Wolfsland. Das nächste Wolfsrudel lebt 60 Kilometer entfernt. Für einen Wolf ist das eine Nachtwanderung. Doch kein Wolf hat Kuczniks Herde jemals angegriffen.
Französische Pyrenäenberghunde haben die Eigenschaften, die Kucznik und andere Weidetierhalter in Deutschland benötigen. Die Hunde sind extrem aufmerksam und können Gefahren eigenständig richtig einschätzen. Nähert sich ein Mensch der Herde, schnüffeln und bellen die Hunde zunächst. Sie bringen einen Abstand zwischen Herde und Mensch, zeigen mit ihrer körperlichen Anwesenheit, wo die Grenze verläuft. Verhält sich der Mensch ruhig, setzen sich die Herdenschutzhunde und warten ab. Ihr Kopf ragt auch im Sitzen über die Rücken der Schafe und sie beobachten beständig die Bewegungen von Menschen in der Nähe.
Aufgabenteilung der Hunde
Jeder Herdenschutzhund hat in einer Gruppe seine Aufgabe. Einer der Hunde hat seine Augen immer auf den Fremden. Gehen Spaziergänger vorbei, begleiten die Herdenschutzhunde sie eine Weile lang und geleiten sie von der Herde weg.
Die Hunde sind in der Natur mit den Schafen auf sich gestellt. Ihre Intelligenz entscheidet daher über das friedliche Zusammenleben von Hund, Schaf und Mensch. Sie allein wissen, wie sie mit Spaziergängern, streunenden Hunden, Wildschweinen oder eben Wölfen umgehen. Doch leben Hunde unter den Schafen, stellen sie für Wölfe eine extrem schwere Beute dar, die sie lieber umgehen. Das berichten Schäfer in den Wolfsregionen der italienischen Abruzzen, den französischen Pyrenäen und im spanischen Nordwesten. Und die Erfahrung machen auch jene Schäfer in Deutschland, die Herdenschutzhunde zwischen ihren Tieren halten.
Wölfe meiden starke Gegner
Ein Wolf vermeidet grundsätzlich einen Kampf um Beute. Er könnte sich verletzen, was ihn wiederum für spätere Beutezüge schwächt. Als Jäger, dessen Streifzüge täglich 40 Kilometer betragen, ist die körperliche Unversehrtheit das höchste Gut. Ein Grund, warum Wölfe gegenüber Beute stets vorsichtig taktieren. Ihr Revier markieren Wölfe ebenso wie Hunde mit Urin und Kot. Wölfe verstehen also die Botschaft, die Herdenschutzhunde aus der Schafherde senden: Hier leben wir!
Wölfe sind vorsichtige Tiere. Sie beobachten ihre Beute, bevor sie angreifen. Wölfe erkennen, welche Tiere jung, alt oder krank sind und damit überhaupt als Beute erreichbar sind. Die Herdenschutzhunde sind mindestens so groß wie die Wölfe. Die Hunde bedeuten also eine echte Gefahr für Wölfe. Die Schafe oder Ziegen in der Herde sind deswegen nicht mehr interessant für sie.
Freundlich, aber entschieden
Französische Pyrenäenberghunde und Maremmano-Abruzzese aus Italien eignen sich gut für dichtbesiedelte Länder wie Deutschland. Sie zeichnen sich durch ein eigenständiges Wesen aus, sind freundlich aber entschieden und treten bestimmt auf. Die Hunde beider Rassen sind weiß, haben ein dichtes Unterfell und ein langes Oberhaar. Damit können die Hunde auch im Winter draußen zwischen den Weidetieren leben.
Mit 50 bis 60 Kilogramm sind die Herdenschutzhunde kräftig, aber für Hunde ihrer Größe nicht übermäßig schwer. Sie haben einen verhältnismäßig großen Kopf, der Kiefer ist entsprechend kräftig. Unter dem langen Fell haben die Pyrenäenhunde einen äußerst athletischen Körper. Die Kraft ihrer langen Beine zeigt sich, wenn sie federnd wie ein junges Pferd über die Wiese traben.
Knut Kucznik hat mit anderen Schaf- und Weidetierhaltern die Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde gegründet. Nach strengen Kriterien züchten sie Französische Pyrenäenberghunde und Maremmano-Abruzzese, die ausschließlich Weidetiere wie Ziegen, Schafe oder auch Rinder beschützen. Eine klare Zucht ist notwendig, da sowohl in Frankreich als auch in Italien eine Haus- und Familienvariante der ehemaligen Schutzhunde gezüchtet wurde. Die Haushunde haben nicht mehr die gewünschten Eigenschaften eines Herdenschutzhundes.
Der Zaun ist tabu
Verantwortungsvoll gezüchtete Herdenschutzhunde benötigen im Vergleich zu anderen Arbeitshunden wenig menschliches Training. Der Herdenhalter muss sie selbstverständlich klar ansprechen und die Regeln eindeutig vermitteln. Ein oberstes Gebot lautet, dass die Hunde nicht über den Herdenschutzzaun springen. Egal ob auf der Weide oder im Stall: Die Hunde bleiben in der Herde. Auch müssen die Hunde an der Leine gehen können, selbst wenn sie üblicherweise immer in der Herde frei herumlaufen. Leinengängigkeit ist wichtig, zum Beispiel wenn der Schäfer mit der Herde umzieht und die Hütehunde die Herde treiben. Unter den Hunden herrscht Arbeitsteilung: Herdenschutzhunde bewachen, Hütehunde treiben und halten die Herde zusammen.
Die Herdenschutzhunde erziehen sich jedoch weitgehend gegenseitig. Sie sind auf ihre Eigenschaften hin gezüchtet und im Laufe der ersten ein bis zwei Jahre stellt sich heraus, wie gut die gewünschten Eigenschaften herauskommen. Mit zwei bis drei Monaten kommen die jungen Hunde zu erfahrenen Hunden, die ihnen als Mentor zur Seite stehen.
Die Älteren zeigen ihnen, wie sie sich verhalten sollen. Sie dürfen nicht an den zu beschützenden Tieren zupfen, sie jagen oder gar nach ihnen schnappen. Ihre Friedfertigkeit, ja Gleichgültigkeit gegenüber den Schützlingen müssen die Hunde unter den Jungtieren der Herde beweisen. Wenn sie die Lämmer, Zicklein, Kälbchen vollkommen in Ruhe lassen, haben sie ihre erste Prüfung als Herdenschutzhund bestanden.
Ulrike Fokken
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